Die Börsen der Welt entwickeln sich derzeit nicht einheitlich, haben aber weiterhin ein zentrales (tägliches!) Diskussionsthema: die Inflation- und Zinsperspektiven. Anlagestrategen blicken auch wieder intensiver auf die Chancen in den Schwellenländern.
Nach den Erfahrungen der vorangegangenen Jahre ist dies keine Überraschung. Dabei sehe ich allerdings eine Bestätigung für meine Warnungen, die (geo-)politischen Einflüsse nicht zu vernachlässigen. Im Gegenteil, die Politik wirkt immer intensiver auf Wirtschaft und Finanzmärkte ein. Deshalb sollten Sie, geschätzte Anleger, durch die erstaunliche Stabilität führender Weltbörsen mit ihren Indexhöchstständen nicht leichtsinnig werden!
Die Zwischenbilanz nach dem ersten Monat 2024: Auch im makroökonomischen Umfeld ist ein uneinheitliches Bild zu erkennen. In Asien war die Stimmung außer in China deutlich besser als im Vormonat. In Mitteleuropa sind die konjunkturellen Probleme deutlich größer. In Lateinamerika entwickelt sich Brasilien gut, während die Schwäche in Mexiko anhält. Der Inflationsdruck lässt in allen Regionen weiter nach und die Zinsen werden gesenkt, wobei sich die asiatischen Notenbanken hier noch zurückhalten. Die Spannungen im Nahen Osten sind weiter gestiegen.
Schwieriger Start für Emerging Markets
Schwellenländeranlagen hatten einen schwierigen Start ins neue Jahr: Hartwährungsanleihen haben unter dem Anstieg der US-Renditen gelitten, während asiatische Aktien zunächst wegen der schlechten Stimmung für chinesische Werte unter Druck geraten sind, bevor hier Hoffnungen auf Markteingriffe des Staates für eine gewisse Stabilisierung gesorgt haben. An den Rentenmärkten führen vor allem die Unsicherheit über den Beginn des Leitzinssenkungszyklus in den USA und die damit einhergehenden Wechselkursbewegungen zu Volatilität. Dazu die gängige Vorschau von Analysten: Zwar wird gegenwärtig der erste Lockerungsschritt in den USA wieder eher etwas später erwartet, doch das Bild deutlicher Senkungen innerhalb der kommenden zwölf Monate ist intakt und dürfte sowohl den Renten- als auch den Aktienmärkten Unterstützung bieten.
Im Superwahljahr 2024 wird nicht nur in den USA, sondern auch in mehreren Schwellenländern gewählt. Daraus ergibt sich ein politisch volatiles Umfeld, das vielen Anlegern Sorgen bereitet. Aus Sicht von James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform von Lazard Asset Management, sind Schwellenländeraktien dennoch attraktiver denn je. Zum einen, weil EM-Aktien (Emerging Markets) aktuell eine der am stärksten unterbewerteten Assetklassen seien, und zum anderen, weil sie stärkere Wachstumsaussichten als ihre Pendants aus den Industrieländern böten, so der Experte.
Attraktive Aktien der Emerging Markets
„Schwellenländeraktien werden derzeit mit Bewertungsabschlägen von 30 bis 40 Prozent gegenüber ihren Pendants aus den Industrienationen gehandelt, und dies, obwohl das Gewinnwachstum in den Emerging Markets im Jahr 2024 höher ausfallen dürfte. Dies ist vor allem auf die asiatischen Schwellenländer und Unternehmen aus dem Sektor Informationstechnologie zurückzuführen“, erklärt Donald. Die bevorstehenden Wahlen könnten deutliche Auswirkungen auf die weltweite geopolitische Lage und globale Lieferketten haben. Sie könnten zudem die langfristigen Aussichten für Wirtschaftsreformen und die Entwicklung der öffentlichen Finanzen in einzelnen Schwellenländern haben. „Wir blicken gespannt auf das Wahljahr 2024. Als Investoren müssen wir uns auf alle Optionen vorbereiten und entsprechende Strategien entwickeln. Eine vorausschauende Asset-Allokation sollte politische Risiken bestmöglich kompensieren“, meint James Donald.
Politik kann beflügeln, birgt aber auch Risiken
Positive Impulse erwartet Donald in Indonesien und Indien: In Indonesien, dem viertbevölkerungsreichsten Land der Erde und einem wichtigen Metalllieferanten, würden beide Präsidentschaftsanwärter die wirtschaftsfreundliche Politik des scheidenden Präsidenten Joko Widodo fortsetzen wollen, wodurch Indonesien zu einem zentralen Bestandteil der globalen Lieferkette werden könnte. Ein Sieg von Indiens amtierendem Premierminister Narendra Modi für eine dritte Amtszeit würde sehr wahrscheinlich eine Fortführung des eingeschlagenen Reformkurses bedeuten und könnte zu weiterem starkem Wirtschaftswachstum führen. In einer Handvoll Schwellenländern könnten die bevorstehenden Wahlen hingegen zu einer Abkehr von der föderalen Verantwortung führen, was das Risiko der Staatsverschuldung erhöhen würde.
Besonders stark unterbewertete Aktien
Schwellenländeraktien gehören zu den am stärksten unterbewerteten Assetklassen überhaupt. Die großen Bewertungsabschläge sind vor allem durch die niedrigen Bewertungen chinesischer Aktien zu erklären. Ohne China lägen die Abschläge der Schwellenländer im Rahmen des 10-Jahres-Durchschnitts. Derzeit werde das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den MSCI EM Index in den nächsten zwölf Monaten mit etwa dem 12-fachen gehandelt und liege damit leicht über seinem langfristigen Durchschnitt von 11,3-fach. Kommentiert Donald in einer neuen Analyse: „Sofern keine negativen geopolitischen oder wirtschaftlichen Ereignisse eintreten, erwarten wir, dass sich der bestehende Bewertungsabschlag nach und nach verringern wird. Wir führen das auf eine Kombination aus stärkerem Gewinnwachstum, der potenziellen Steigerung der Rentabilität der Schwellenländer (bei der sich der Abstand zwischen der Eigenkapitalrendite der Schwellenländer und der der Industrieländer verringert) und der möglichen Ausweitung der Wirtschaftswachstumsprämie zurück.“
Darüber hinaus verzeichne der MSCI EM Index attraktive Dividendenrenditen von knapp unter 3 Prozent – eine Entwicklung, die maßgeblich von lateinamerikanischen Energiekonzernen getragen werde. Das erwartete Ertragswachstum pro Aktie liege dieses Jahr zudem deutlich über dem der Vorjahre.
Fokus auf Indien, Indonesien, Brasilien und Mexiko
Zu den Spitzenreitern unter den Emerging-Market-Aktien gehören aus Sicht des Experten nach wie vor asiatische Unternehmen, insbesondere chinesische Internetplattformen im Entertainment- und Retailbereich. „Doch auch über China hinaus sehen wir enorme Wachstumspotentiale. Indien beispielsweise profitiert von seiner jungen Bevölkerung, während Indonesien in der globalen Wertschöpfungskette aufsteigt. Lateinamerika, besonders Brasilien und Mexiko, profitiert vom Nearshoring und ausländischen Investitionen“, sagt Donald. Die asynchrone Natur des globalen Wachstums ermögliche es Schwellenländern, enorm schnell zu wachsen, während viele Industrieländer stagnieren würden.
Mein Rat, liebe Leser: Anlagen in den (auch weit entfernten) Emerging Markets erfordern spezielles Know-how. Deshalb bieten sich als Instrumente gerade hier Investmentfonds und ETFs an.