Forschungsreport der Europäischen Kommission sieht Risiken unter anderem bei Permanentmagneten, Batterien, Brennstoffzellen und den zugrunde liegenden Rohstoffen.
Wenn es um Innovationen in vielen klimafreundlichen Technologien geht, ist die EU führend. Nachholbedarf besteht hingegen bei der Kommerzialisierung und der Finanzierung von Scale-ups, also von Unternehmen, die bereits eine gewisse Marktgröße erreicht haben und sich in einer Phase schnellen Wachstums befinden. Das geht aus einem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission hervor.
Untersucht wurden 28 klimaneutrale Energietechnologien anhand von zehn Wettbewerbsindikatoren wie Produktion, Umsatz, Im- und Exporte sowie Risikokapitalinvestitionen in der Früh- und Spätphase. Stark zeigt sich der Staatenverbund vor allem in den Kategorien hochwertige Patente, öffentliche Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen sowie bei der Anzahl innovativer Unternehmen. Besonders bei vier Technologien liegt die EU insgesamt weit vorne: Windrotoren, Wärmepumpen, Heiz- und Kältenetze sowie Spezialschiffe und -infrastruktur zur Versorgung von Offshore-Windparks.
Verbesserungen zeigten sich im Bereich Batterien, wo die Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen von 2016 bis 2020 um fast 40 Prozent jährlich stiegen. Bei der heimischen Produktion von Photovoltaik gebe es ebenfalls Zeichen für einen Aufschwung und bei Wasserstofftechnologien bescheinigt der Report der EU eine gute industrielle Basis.
Umweltfreundliche Mobilität: EU-Unternehmen könnten Anschluss verlieren
Einen „besorgniserregenden Trend“ sehen die Autoren hingegen bei verkehrsbezogenen Technologien wie Brennstoffzellen, elektrischen Antrieben, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge und alternativen Kraftstoffen. Hier sei im globalen Vergleich weniger Risikokapital angezogen worden. Da die umweltfreundliche Mobilität einer der am schnellsten wachsenden Sektoren sei, bestehe die Gefahr, dass innovative europäische Unternehmen keine ausreichende Finanzierung finden, um ihre Lösungen an den Markt zu bringen.
Generell ziehe die heimische Produktion von klimaneutralen Technologien nach der Pandemie wieder an, so der Report weiter. Dennoch könne sie mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt halten, vielmehr müsse zur Deckung ein zunehmender Anteil importiert werden.
Genau in dieser hohen Importabhängigkeit sehen die Autoren auch ein deutliches Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit der grünen europäischen Industrie. China wird als Hauptexporteur für gleich sieben klimafreundliche Technologien benannt, darunter Photovoltaik, Batterien, Permanentmagnete, Wärmepumpen und Ladelösungen für Elektrofahrzeuge. Viele davon hängen zudem von importierten Materialien und Rohstoffen ab, die ebenfalls zu einem großen Teil aus der Volksrepublik stammen, allen voran Seltene Erden. Zu den Einsatzbereichen dieser kritischen Mineralien zählen Permanentmagnete, die wiederum wichtige Komponenten für Elektromotoren und Windkraftturbinen sind. 60 Prozent der weltweiten Seltenerdförderung entfallen auf China, bei der Weiterverarbeitung sind es sogar 85, bei der Fertigung von Permanentmagneten über 90.
Umso bedenklicher, so die Autoren, sei dieses Quasi-Monopol angesichts der stetig steigenden Nachfrage: Der Bedarf der EU nach Permanentmagneten werde sich zwischen 2020 und 2030 voraussichtlich verdreifachen.
Bei Seltenerdmagneten besteht eine hohe Importabhängigkeit von China. Photo: iStock/xiao zhou
Seine außerordentliche Marktmacht über Seltene Erden, aber auch zahlreiche andere Rohstoffe demonstrierte die Volksrepublik in diesem Jahr mit neuen Exportauflagen, die im Ausland die Befürchtungen über Versorgungsengpässe weiter schürten.
Die Rohstoffversorgung stellt auch bei weiteren Technologien ein großes Risiko dar, bei Brennstoffzellen etwa ist Platin eine kritische Komponente. Die Bergwerke des Marktführers Südafrika kämpfen immer wieder mit Problemen bei der Stromversorgung, aber auch Störungen im Schienenverkehr, zugleich steigt die Nachfrage nach Platin, daher drohen Engpässe. Ähnliches gilt für mögliche Substitute wie die Platingruppenmetalle Palladium, Ruthenium oder Iridium.
EU-Rohstoffgesetz und Forschung sollen Abhilfe schaffen
Anreize für mehr Selbstversorgung und eine Diversifizierung des Angebots soll das erste geplante EU-Gesetz zu kritischen Mineralien bieten, das im März vorgestellt wurde und nun kurz vor der Zielgeraden steht. Vorgesehen ist darin, dass die Europäische Union bis 2030 bei insgesamt 17 strategischen Rohstoffen zehn Prozent ihres Jahresbedarfs selbst gewinnt, 25 Prozent durch Recycling deckt und weitere 40 Prozent selbst verarbeitet. Zu den Herausforderungen auf diesem Weg zählen jedoch unter anderem die langen Vorlaufzeiten für neue Bergwerke. Meldungen zur Entdeckung neuer Lagerstätten wie im nordschwedischen Kiruna wecken daher zwar stets Hoffnungen, doch bis sie zu Europas Rohstoffversorgung beitragen können, vergehen erfahrungsgemäß oft Jahrzehnte.
Die EU setzt daher zusätzlich auf Forschungs- und Entwicklungsprojekte, heißt es abschließend in dem Report. Aktuell laufen vor allem Projekte, die auf eine Stärkung von Kreislaufwirtschaft und Recycling sowie Innovationen bei Seltenerdmagneten abzielen. Die EU unterstützt außerdem in Estland den Bau der ersten europäischen Fabrik zur Herstellung dieser unverzichtbaren Komponenten.