Nur teuer oder schon zu teuer? Das fragen sich nicht nur die Börsenprofis beiderseits des Atlantiks. Es gibt keine sichere Antwort. Private Anleger müssen jetzt individuell selbst entscheiden, ob sie ihre Taktik ändern sollten.
„Wer kauft schon gern am Allzeithoch?“ resümierte der Frankfurter Verhaltensökonom Joachim Goldberg nach seiner jüngsten Anlegerbefragung. Denn der Dax lässt bisherigen Zweiflern keinen Raum nach unten zum Einstieg. Einige haben ihre Aktien verkauft, andere sind dagegen auf die Shortseite. Und das ist per Saldo laut Goldberg eher gut für das Bullenlager.
Droht jetzt eine Kursblase?
Um es vorwegzunehmen: Auch ich weiß (natürlich) nicht, wie es weitergeht. Und es fällt nicht leicht, Zweifel am Anhalten der Börsenhausse zu verdrängen. Schließlich passen euphorische Märkte nicht zu den miesen weltwirtschaftlichen Entwicklungen. Trotzdem, ich plädiere – auch wenn’s schwerfällt – für relative Gelassenheit: Der nächste Aufschwung der Konjunktur kommt bestimmt, früher oder später.
Deshalb teile ich weitgehend die Einaschätzung der Helaba Strategen in ihrer am Wochenende veröffentlichten Analyse (hier Auszüge daraus): Anleger misstrauen inzwischen der Nachhaltigkeit des Kursaufschwungs. Manche warnen bereits vor einer Blase. Ist es also an der Zeit, Gewinne mitzunehmen? Beim Blick auf die Performancetabelle der international führenden Aktienindizes überwiegen zunehmend die Pluszeichen. Selbst das chinesische Börsenbarometer CSI 300 scheint nach einer längeren Durststrecke inzwischen den Turnaround geschafft zu haben. Gewinne also mitnehmen?
Aktienindizes im Vergleich
Um diese Frage beantworten zu können, hat das Frankfurter Landesbank-Research die Entwicklung des US-Leitindex S&P 500 etwas genauer beleuchtet: Seit seinem Zwischentief im Oktober 2023 legte der Index kräftig um 23 % zu. Häufig wird bemängelt, dass ein Großteil dieses Anstiegs auf die Performance weniger Schwergewichte zurückzuführen sei. In der Tat sind allein fünf Aktien für rund 35 % des Kursanstiegs verantwortlich. Dies ist allerdings kein Beleg für mangelnde Marktbreite. Tatsächlich legten im selben Zeitraum 452 Indexmitglieder zu und nur 56 gaben nach. Der Aufschwung ist somit breit getragen.
Ein weiterer möglicher Schwachpunkt, der als Risikofaktor identifiziert wurde, waren die überzogen hohen Zinssenkungserwartungen als Haupttreiber der Aktienkurse. Seit dem Jahreswechsel haben sich diese allerdings deutlich zurückgebildet – die Aktienkurse sind trotzdem gestiegen. Der dritte und vielleicht wichtigste Punkt ist die gerade bei den US-Indizes schon recht hohe Bewertung. Betrachtet man die absolute Bewertung auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses, lässt sich zwar ein erhöhtes Niveau feststellen, das durchaus Anlass für zwischenzeitliche Korrekturen birgt. Dazu die Helaba: „Eine Blase kann aber nicht diagnostiziert werden. Ähnliches gilt für die relative Bewertung gegenüber Staatsanleihen.“
Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass Dividendentitel schon viel Positives vorweggenommen haben und die Bewertung des US-Marktes hoch ist. Damit steigt das Risiko zwischenzeitlicher Kursrücksetzer. Sich von dieser Assetklasse zu verabschieden wäre allerdings verfrüht. Schließlich sprechen perspektivisch sinkende Zinsen und eine sich belebende Weltkonjunktur für Aktien.
Warum Schweizer Aktien?
Und so gibt es nicht nur die tägliche Fachdiskussion über die Risiken. Denn es ist nach wie vor genügend internationales Anlagekapital vorhanden, das mutige Anleger investieren möchten. Bemerkenswert für die bullische Betrachtung ist das zunehmende Interesse an den verglichen mit der Wall Street attraktiveren europäischen Aktien. Daniel Häuselmann, Investment Director bei GAM Investments, hat sich jetzt für Schweizer Aktien ausgesprochen. Begründung: Auf dem Schweizer Markt gibt es, neben globalen Megakonzernen wie Nestlé, eine Vielzahl innovativer, effizienter und gut geführter Unternehmen, die zu den Besten ihrer Branche zählen und in allen Teilen der Welt erfolgreich Marktanteile einnehmen. Bei einer Investition in Schweizer Aktien geht es also weniger um den heimischen Markt, sondern vor allem um Unternehmen, die durch starkes Management sowie Innovation auf eine lange Geschichte nachhaltigen globalen Wachstums zurückblicken können – aufgebaut auf dem Fundament eines der stabilsten Länder der Welt.
Stabilität und Sicherheit
Um zu verstehen, warum Schweizer Unternehmen international so erfolgreich sind, müssen wir einen genaueren Blick auf den Schweizer „Investment-Case“ werfen: Als eine der ausgewogensten und sichersten Volkswirtschaften der Welt steht die Schweiz für Widerstandsfähigkeit und Stabilität. Die umsichtige Steuerpolitik und das robuste Finanzsystem des Landes helfen Schweizer Unternehmen, langfristig und sicher zu planen. Das stabile innenpolitische Umfeld (mit Volksabstimmungen, die das Modell der direkten Demokratie untermauern), zuverlässige Eigentumsrechte und ein moderates Steuerniveau stärken das solide und sichere nationale Umfeld, von dem aus Schweizer Unternehmen ihre globalen Strategien planen.
Diversifizierter globaler Einnahmen-Mix
Schweizer Aktien verfügen über eine wahrhaft internationale Mischung von Einnahmeströmen. Weit davon entfernt, von ihrem relativ kleinen Heimmarkt eingeengt zu werden, haben viele Schweizer Unternehmen den Spieß umgedreht und sind ihren Konkurrenten mit einem größeren bindenden Inlandsmarkt voraus. In der Praxis sind viele Schweizer Unternehmen in der Tat global aufgestellt und verfügen über Einnahmequellen, die weit über die Grenzen Europas hinausreichen. Einige konzentrieren sich auf wachstumsstärkere Regionen wie Nord- und Südamerika und Asien, einschließlich der Schwellenländer, was ihr Potenzial für ein attraktives Gewinnwachstum und verbesserte Margen erhöht.
Sektoren wie Pharmazeutika und Basiskonsumgüter, die in den Schweizer Marktindizes durch Unternehmen wie Novartis, Roche und Nestlé gut vertreten sind, werden normalerweise mit defensiven Eigenschaften assoziiert, die dem Schweizer Markt in unsicheren Zeiten widerstandsfähige Eigenschaften verleihen. Doch aufgrund der Stärke der globalen Marktstellung dieser Unternehmen und der schieren Größe der Segmente, in denen sie tätig sind, können selbst diese defensiven, qualitativ hochwertigen Schweizer Schwergewichte Wachstumschancen für Anleger bieten.