Die Fähigkeit der Meeresorganismen, Mineralien zu speichern, könnte zur Sicherung von Rohstofflieferketten beitragen. Biomasse ließe sich anschließend zu Kraftstoffen oder Baumaterialien verarbeiten.
Ob für Erneuerbare Energien, Digitalisierung oder Militär: Die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen wächst. Doch die Lieferketten für Lithium, Seltene Erden und Co. sind stark konzentriert und geopolitische Spannungen erschweren die Versorgung zunehmend. Das Interesse an neuen und teils unkonventionellen Bezugsquellen ist daher groß. So untersuchen Forscher in den USA, ob künftig Algen eine Rolle für die Gewinnung spielen könnten.
Die marinen Organismen gelten als hervorragende Speicher von Mineralien, auch wenn noch unklar sei, wie und warum sie sich damit anreichern, erklärt Scott Edmundson, Botaniker am Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) des US-Energieministeriums. Die Rohstoffe gelangen in die Ozeane, wenn Wind, Regen und fließendes Wasser Gestein erodieren oder wenn Nährstoffe aus gedüngten Böden gespült werden. Auch unterseeische Vulkane und hydrothermale Quellen transportieren Mineralien aus der Erdkruste auf den Meeresboden. Laut Edmundson weisen Algen dabei oft deutlich höhere Konzentrationen auf als das umgebende Meerwasser. Wie sich diese Erkenntnis zur Verbesserung der Rohstoffversorgung nutzen lässt, hat er als Teil eines Forscherteams am PNNL untersucht.
Chemische Laugen und hohe Temperaturen helfen bei der Extraktion
Zunächst wurden verschiedene Algenarten herangezüchtet und ihre Fähigkeiten zur Speicherung verschiedener Mineralien getestet. Dabei zeigte sich beispielsweise, dass eine lederartige Braunalge namens Fucus besonders gut Nickel in ihrem Gewebe anreichert. Eine grüne, blattartige Alge namens Ulva hingegen, auch bekannt als Meersalat, bevorzugt Seltene Erden.

Sägetang (Fucus serratus), Felswatt von Helgoland.
Photo: Gabriele Kothe-Heinrich, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Meersalat Ulva Lactuca, Fundort: Kroatien, Istrien, Porec, Lanterna.
Photo: Holger Krisp, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Mit diesen Erkenntnissen entwickelten die Wissenschaftler Methoden zur Extraktion. Die besten Ergebnisse erzielte ein Verfahren, bei dem die Algen zu einer Paste zermahlen und mit einem sogenannten Lixiviant vermischt wurden – Laugen, die auch im Bergbau eingesetzt werden, um Mineralien oder Metalle aus Gestein zu lösen. Zusätzlich wurde die Algenmischung hohen Temperaturen ausgesetzt, um die chemischen Bindungen weiter aufzubrechen.
Durch weitere Experimente mit unterschiedlichen Lixivianten und Temperaturen wollen die Forscher erreichen, dass sich mindestens die Hälfte des Mineralgehalts aus der Algenmasse gewinnen lässt. Langfristig soll zudem die Kosten-Nutzen-Bilanz optimiert werden, um das Verfahren wirtschaftlich zu machen. Abfallsäuren aus anderen Prozessen als Lixivianten einzusetzen wäre dabei eine mögliche Stellschraube.
Zugleich verweisen die Forscher auf Vorteile, die bereits heute für Algen als Rohstoffquelle sprechen: Sie wachsen schnell, kommen ohne Süßwasser aus und die verbleibende Biomasse lässt sich nach der Mineraliengewinnung weiterverwerten, etwa für Biokraftstoffe, Baumaterialien oder Klebstoffe. Zudem eröffne die große Artenvielfalt die Möglichkeit, gezielt Algen zu züchten, die bestimmte Mineralien effektiv speichern, erklärt Edmundson. So könne die Technologie flexibel an die aktuellen Engpässe in den Rohstofflieferketten angepasst werden.
Weitere unkonventionelle Methoden zur Rohstoffgewinnung: Neben Algen könnten auch Pflanzen, Bakterien, Proteine oder Elektroschrott wie alte Energiesparlampen Wege eröffnen, abseits des traditionellen Bergbaus zur Versorgung mit kritischen Materialien beizutragen.
Beitragsbild: Lucas B Bracht via Canva