Meine frühen Warnungen werden jetzt bestätigt: Die Finanzmärkte geraten in das unsichere Fahrwasser der Politik. Anleger sollten die jüngsten Kursrückschläge (noch) nicht für Aktienkäufe nutzen.
Interessant ist die Beobachtung, dass der sich ausbreitende Optimismus unter Volkswirten und Finanzanalysten in der vergangenen Woche einen empfindlichen Dämpfer erhalten hat. Zu viel passiert innenpolitisch nicht nur bei uns und in Frankreich, auch die näher rückende Wahl in den USA ist zum Unsicherheitsfaktor geworden. Damit gibt es weltweit keine Region, die Anlegern stabile Aussichten verspricht: Amerika liefert wirtschaftlich und zinspolitisch Fragezeichen, die Zuversicht für Asien wackelt und Europa droht immer tiefer in den Ost-West-Konflikt verstrickt zu werden. Die Angst vor der Kriegsgefahr wird selbst von Fachleuten und den Medien diskutiert. Fragen Sie sich selbst, geschätzte Anleger, ob dies zum Investieren an den Börsen ermutigen kann.
Nur der Sport liefert Highlights
Wenigstens der Spitzensport liefert in diesen Wochen erfreuliche Highlights. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, greift dies in seinem Wochenschlusskommentar auf: Die Fußball-EM wird ein spektakulärer Höhepunkt, dem sich die Olympischen Spiele in Paris anschließen. Weltweit dürften wieder über drei Milliarden Menschen die Spiele verfolgen. Sportartikelhersteller versprechen sich dadurch einen Run auf ihre Waren. Nicht zuletzt, weil nach den „Geisterspielen“ von Tokio 2021 die Stadionränge wieder gefüllt sein werden, was das Spektakel perfekt macht.
Analysten schätzen, dass das Umsatzwachstum der Branche in jedem Quartal des Jahres höher ausfallen wird als im Vorjahr. Ein Rückgang der Rohstoff- und Lagerhaltungskosten kommt den Unternehmen derzeit ebenfalls entgegen. Beispielsweise sind die Preise von Baumwolle seit Ende Februar um gut 30 Prozent gefallen. Stephan: „Daher sehe ich Chancen für eine gute Kursentwicklung von Aktien europäischer Sportartikelhersteller“.
Disharmonien und gestiegene Unsicherheit
Hans-Jörg Naumer, Director Global Capital Markets von Allianz Global Intestors, differenziert: Das vorherrschende Konjunkturszenario mit den geldpolitischen Erwartungen kann fortgeschrieben werden. Die technischen Indikatoren zeigen eine vergleichsweise unverkrampfte Lage, aber mit einer disharmonischen Geldpolitik und einer gestiegenen Unsicherheit in Europa. So gibt es ausreichend Gründe für eine erhöhte Volatilität.
Dax mit größtem Wochenverlust seit August
Der Dax hat am Freitag erneut deutliche Kursabschläge erlitten. Nachdem unser Leitindex kurz vor dem Durchbruch in den Bereich von 20.000 Punkten stand, ist er abrupt auf 18.000 (und zeitweise darunter) gestürzt. Der Wochenverlust von 3 Prozent war der höchste seit August vergangenen Jahres.
Das charttechnische Bild verheißt nichts Gutes für die weitere Kursentwicklung, fasst der Frankfurter Schlussbericht zusammen. Denn mit dem Kursrückgang vor dem Wochenende bestätigte der Leitindex nicht nur den Vortagesrutsch unter die 21- und 50-Tage-Durchschnittslinien, die als Indikatoren für den kurz- bis mittelfristigen Trend gelten. Er kam auch der für die längerfristige Tendenz wichtigen 100-Tage-Linie, über der er sich seit November behauptet hatte, gefährlich nahe.
Schock durch Europa-Wahl und Frankreich
„Der Schock über das Ergebnis der Europawahl und die nun anstehenden Neuwahlen in Frankreich sitzt nicht nur an der Börse in Paris, sondern auch in Frankfurt tief“, kommentierte Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets. Dazu belaste der mögliche Handelskonflikt mit China nach der Androhung von Strafzöllen auf chinesische Elektrofahrzeuge. „Die nächste Woche dürfte damit ganz im Zeichen des Versuchs einer Stabilisierung stehen, mehr sollte in der aktuellen Situation nicht drin sein.“
Pessimistisch zeigte sich auch Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets: „Aktuell ist die Chance für eine erfolgreiche Vorrunde der deutschen Fußball-Nationalmannschaft höher als für einen positiven Stimmungsumschwung an der Frankfurter Börse“, urteilte er mit Verweis auf die Europameisterschaft. Auch angesichts der Zurückhaltung der US-Notenbank Fed mit Blick auf Zinssenkungen, der schon wieder erloschenen Zinsfantasie in Europa und der geopolitischen Krisenherde „gibt es derzeit nicht wirklich einen triftigen Grund, Aktien zu kaufen“.
Einfluss der kommenden Wahlen
In Frankreich finden drei Jahre früher als erwartet Parlamentswahlen statt. Präsident Emmanuel Macron könnte sich jedoch verkalkuliert haben, gibt Mark Dowding, Chief Investment Officer bei RBC BlueBay Asset Management, zu bedenken. Sein Resümee Ende der vergangenen Woche: Wir nähern uns nun dem Sommer. Mit den bevorstehenden Wahlen im Vereinigten Königreich und in Frankreich steht die Politik weiterhin im Mittelpunkt des Interesses. Es ist bemerkenswert, wie Großbritannien nach links rückt, während der Rest Europas nach rechts driftet. Es ist jedoch nicht das erste oder das letzte Mal, dass das Vereinigte Königreich nach seiner eigenen Pfeife tanzt. Wir können froh sein, dass wir uns mit der Fußball-Europameisterschaft etwas ablenken können.
Strategisch in Sachwerten bleiben
Was die Menschen weltweit (und nicht nur die Anleger) belastet, sollte nicht die Strategie – also das langfristige Investment – beeinflussen. Sie müssen entscheiden, liebe Leser, ob Sie kurz- und mittelfristig Ihre Aktienbestände vorsichtshalber abbauen oder umgekehrt ausgeprägte Kursschwäche zu weiteren Käufen nutzen. Jetzt geht es um die Taktik für die kommenden Wochen und Monate, auf weite Sicht bleibe ich (neben Cash) bei meiner Empfehlung von Aktien, Gold und Industriemetallen.